Rolf Dennemann ist verstorben

Ein Nachruf

Mit Rolf Dennemann verliert artscenico seinen Gründer und die Stadt Dortmund und das Ruhrgebiet einen der wohl außergewöhnlichsten und profiliertesten Künstler der Region aus dem Bereich der Darstellenden Künste. Seiner Heimat, dem Ruhrgebiet, war er stets mit kritischer Zuneigung und liebevoller Ironie zugeneigt. Diese Heimat hat er auch nie für lange Zeit verlassen. Seine Strahlkraft jedoch ging weit über das Regionale hinaus. Er war ein international denkender, ein geradezu europäischer Künstler, der seine Spuren in vielen Ländern Europas hinterlassen hat und zahlreiche nationale und internationale Künstler und Künstlerinnen mit seiner besonderen Art und Arbeitsweise beeinflussen konnte. Seine Arbeit war kosmopolitisch geprägt. Und sein künstlerisches Denken sowieso bar jeder Grenzen:

Think global! Act local

In guten Momenten konnte Rolf mühelos die Weitläufigkeit der mongolischen Steppe und die Heimeligkeit eines auf dem Ofen brutzelnden westfälischen Kartoffelgerichts gemeinsam in ein (musikalisches – spielerisches – tänzerisches) Bild bannen. Neben seinem Schaffen als Schauspieler für Film und Fernsehen war er vor allem durch seine Arbeit als Autor und Regisseur und Vordenker von artscenico stilprägend für die freie Theaterszene. In Zeiten, in denen Inszenierungen im öffentlichem Raum noch der Duft des Neuen und Ungesehenen anhaftete, bespielte artscenico die damals noch wilden, ungezähmten aufgelassenen Monumente der Schwerindustrie und als deren Zähmung oder Verfall dann fortschritten, widmeten sich Rolf und das stetig wachsende wie auch wechselnde künstlerische Team von artscenico den Idyllen, aber auch den unwirtlichen, ruppigen, urbanen Orten der Region: Parkanlagen, Bauernhöfe, Schrebergärten, Friedhöfe, Nordstadthinterhöfe und Wohnblocks wurden zu Spiel- und Theaterorten. Und sowohl den einen wie den anderen Orten rangen Rolf und seine Mitstreiter*innen Bilder und Momente von großer Poesie und manchmal ungeahnter Schönheit ab.

„Kreatives Risiko und motivierender Zweifel“ – so hat Rolf Dennemann seine künstlerische Antriebskraft selbst gerne charakterisiert. Diesen schmalen Grat zwischen Gelingen und einkalkuliertem Scheitern bewanderte er mit viel Feingefühl und großem Gespür für das perfekte Bild und den EINEN großen Moment. Er verstand es, der Kreativität seiner Künstler*innen größtmöglichen Gestaltungsraum zu geben und doch in gemeinsamer Arbeit seinen inneren Visionen Ausdruck zu verleihen. In seinem theatralen Schaffen war er manches Mal mehr Dirigent denn Regisseur. Bisweilen auch Tänzer oder Poet. Grübler sicherlich. Zweifler immer. Und nicht zuletzt stiller Genießer. Rolfs Arbeiten waren assoziativ, herausfordernd und schelmisch provokant, sein Charme spürbar und im Hintergrund schimmerte immer ein besonderer Humor, der auch seinen Blick auf die Welt und das Leben beleuchtete.

Rolf Dennemann war ein streitbarer Geist, meinungsstark mit Haltung und Überzeugung. Seinem künstlerischen Schaffen ordnete er alles andere unter. Weggefährten und Weggefährtinnen gegenüber war er kompromisslos treu und blieb ihnen lange verbunden. Er war ein liebenswerter, wenn auch manchmal mürrischer Menschenfreund – immer auf der Pirsch nach „dem einen Moment“ in Kunst und Leben, Immer auch auf der Suche nach Zuneigung und Liebe. Rolf Dennemann hinterlässt unendlich viele Spuren, Gedanken, Bilder und Momente.

Orginal auf und von artscenico.de

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