Aschenputtel

Nein, nicht das aus dem Märchen, das ich hier meine, symbolisch und metaphorisch. Und dann wird noch etwas aus diesem Mädchen im Märchen. Gemeint ist hier etwas anderes.

„Die 903 ist da eher ein Aschenputtel“, heißt es im aktuellen Jahrbuch 2014 mit dem Thema „Duisburg als Heimat “ über die gleichnamige Straßenbahnlinie. Nur leider fällt es mir sehr schwer nach der Lektüre des sechseitigen bebilderten Artikel eine wirkliche Zukunftsperspektive für dieses Aschenputtel herauszulesen.

Hinter dem Autor Hermann Kewitz steht die „bürgerschaftliche Gemeinschaft ProDUISBURG e.V.“, die sich „seit über 100 Jahren zum Wohle der Stadt Duisburg und ihrer Bürger engagiert“. In diesem Fall gilt das so eben Geschriebene wohl kaum, denn der Artikel spielt mit eigenwilligen doppelten Botschaften. Soll das vielleicht Ironie sein?

„Das Image der Straßenbahnlinie 903 ist schlecht. Offen rassistisch sogar. Von ‚Talibahn‘ ist die Rede oder vom ‚Orient-Express‘, wenn das Gespräch auf die Linie kommt, die von Hüttenheim im Süden nach Dinslaken führt. Regelmäßg Mitreisende sprechen von der besonderen Atmosphäre in der Bahn, die keinesfalls von den Schönen und Reichen mit dem Schoko- oder Bärenticket bereist werden – und der Begriff ‚besondere Atmosphäre‘ ist dabei nicht sehr positiv gemeint. (…) Der Duisburger Streckenabschnitt kann inzwischen mit dem Zwischenstopp ‚Tiger & Turtle‘ aufwarten. Ebenfalls sehr anmutig, Was diese Haltestelle angeht, so gilt es freilich, den Blick streng in Fahrtrichtung rechts zu halten. Da füllt die Aussicht auf die begehbare Skulptur von Heike Mutter und Ulrich Genth, eine echte Pilgerstätte vor allem am Wochenende, das Seitenfenster. Wer nach links schaut, sieht Logport III, eine Menge Backstein-Industriekultur und Wellblech. Trotzdem will ich nicht meckern. Nicht hier. Nicht über die 903. Ehrlich gesagt, ich bin ganz froh, das sich keines der von Stammfahrgästen angekündigte Dramen ereignete.“

Mir ist bei meinen Recherchereisen (als nicht Duisburger) für mein Buch über die Straßenbahnlinie 903 nie etwas passiert; ich habe interessante Begegnungen gehabt – vom „Rote-Gelantine-Torte“ durch die Bahn balacierend bis hin zum ersten Frühstück am Sonntagmorgen aus einer tragbaren Glasverpackung, usw. Ja und? Das ist Stadt, und auch jenseits der eingeschränkten Sichtweise mit dem selektiven Blicken nach rechts oder links, sollte man sich diesen Gegebenheiten vorurteilsfrei stellen. Das mache ich in anderen Städten auch. Ich fahre auch in Berlin mit dem ÖPNV. Oder ist es dort schon akzeptierte und kommerzialisierte Folklore und in Duisburg nicht?

Mit einer „Straßenbahnfahrt voller Erinnerungen“ bin ich vielleicht aber nicht offen dafür, nicht für die Brüche innerhalb einer Stadtlandschaft – die aber kreativ nutzbar  – ihrerseits bereits  Geographen, Stadtplaner und andere Interessierte aus dem universitären Umfeld von außen zum Besuch in Duisburg anregen. Auch die „Urbane Künste Ruhr“ sind involviert. Und der Rest? Den kann ich mit einem solchen Artikel und seinen schlechten Fotos nur vertreiben oder auf Abstand halten. Und so heißt es treffend in den letzten Sätzen: „Wie gesagt, das Image der Linie 903 ist schlecht. Und wer mit ihr fährt, wird keinen Eintrag für den Reiseführer formulieren“. Warum eigentlich nicht? Ich meine, das kann man sehr wohl; vielleicht wie ich mit dem Thema Duisburger Stadtraum und der Straßenbahnlinie 903 umgegangen bin.

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